Im Sommer habe ich in einer hamburger Bäckerei als Verkäufer gearbeitet und schon in der ersten Woche ist mir aufgefallen, dass die Menge an Trinkgeld, das ich (und meine Kollegen) bekommen haben, jeden Tag stark schwankte. Die meinsten Angestellten meinten, dass die Trinkgeldhöhe immer zufällig sei und eigentlich nur von externen Faktoren wie z.B. Anfang des Monats (wenn alle ihr Gehalt bekommen) und Ferien abhängt. Nun, ich wurde neugierig, war bei der Arbeit gelangweilt und habe deswegen fleißig Daten gesammelt: denn ich wollte die versteckten Muster entdecken! Ich wollte herausfinden, wann man mehr Trinkgeld verdient! 🤠
Methodologie#
Ich habe jeden Tag einfach die Temperatur, das Wetter, die Kundenzahl, Schichtzeit, Ort, Geschlecht der Mitarbeiter und die Höhe des Trinkgeldes aufgezeichnet, sowie qualitative Bemerkungen gemacht. Alle Daten sind anonymisiert und für jeden Kunden oder Mitarbeiter sichtbar.
Ich wünschte ich hätte noch weitere Daten erfassen können, wie z.B. den Umsatz und das Alter und Geschlecht der Kunden, aber diese Daten waren nicht öffentlich zugänglich.
Bei der Analyse handelt es sich um ein multiples lineares Modell wo die Trinkgeldhöhe, \(T\), von verschiedenen Variablen, \(X_i\), abhängt:
$$T = \epsilon + \beta_1 X_1 + \beta_2 X_2 + \dots + \beta_n X_n$$
Hypothesen und Fragen#
Natürlich habe ich mir schon direkt am Anfang ein paar Hypothesen gestellt:
- Bei sonnigem Wetter gibt es mehr Trinkgeld: Wenn es sonnig ist, sind Leute besser gelaunt und geben daher mehr Trinkgeld.
- Wenn man viel lacht, Witze macht und fröhlich ist, verdient man mehr Trinkgeld: Die Vermutung basiert auf der gleichen Annahme und zwar, dass das Ausgeben von Trinkgeld von Laune abhängt.
- Wenn der Anteil an Frauen im Verkäuferteam größer ist, verdient man mehr Trinkgeld: Diese Vermutung stammt von meinen Beobachtungen und könnte davon abhängen, dass Leute unterbewusst Frauen mehr vertrauen bzw. sie sympathischer finden. Es wäre natürlich schade, wenn sich die Hypothese als wahr erweisen würde.
Allgemeine Beobachtungen#
Zuerst können wir uns die absolute Trinkgeldhöhe pro Kunde anschauen. Hier ist nur zu erwähnen, dass der Höhepunkt am letzten Tag des Augusts erreicht wurde. Das ist interessant, weil die meisten in Deutschland ihr Gehalt am 1. Tag jedes Monats ausgezahlt bekommen. Allerdings war die Trinkgeldhöhe zu Beginn des Septembers höher als am Ende des Augusts, daher ist ein kleiner Effekt schon zu erkennen.
An manchen Tagen haben sich die Verkäuferteams auch während meiner Schicht geändert, deswegen gibt es ab hier auch extra Datenpunkte.
Zwar kann ich das nicht quantitativ nachweisen, weil ich spät mit der Datenerfassung angefangen habe, aber ich habe in der letzten Woche erkannt, dass ich am Tagen, als ich schlechter gelaunt war bzw. zu wenig geschlafen habe, mehr Trinkgeld bekam. Ich habe immer versucht sehr freundlich, fröhlich und individualisiert mit jeden Kunden umzugehen und viele Witze einzubauen (wie z.B. Rache schmeckt nach Kielerbrötchen). Vielleicht habe ich damit ein bisschen übertrieben, aber tatsächlich scheinen es die Kunden viel mehr zu schätzen, wenn man einfach nur seine Arbeit erledigt und am Ende ein freundliches Lächeln zeigt, als wenn man sich zu viel Mühe gibt. Ich vermute, dass dies etwas mit der deutschen Kultur zu tun hat, die viel mehr Ehrlichkeit und Direktheit schätzt. Aus einem ähnlichen Grund konnte sich Walmart, der größter Discounter der USA, nicht in Deutschland durchsetzen, denn die übertriebene amerikanische Fröhlichkeit der Angestellten hat die Kunden vertrieben.
Interessanterweise hängt die Trinkgeldhöhe nicht wirklich von der Zusammensetzung des Teams nach Geschlecht ab! Die Abhängigkeit beträgt 0,0107 € mit einem \(R^2\) von fast 0.Das sind hervorragende Neugikeiten, denn ich hatte schon länger den Eindruck, wenn der Frauenanteil höher ist, dass das Team dann mehr Trinkgeld verdient. Doch ich lag glücklicherweise falsch: das Geschlecht der Verkäufer zählt nicht!
Für das Wetter habe ich mir eine Skala von 1 (schlechtes Wetter wie Regen) und 5 (super Wetter wie ein klarer Himmel) ausgedacht. Für die Temperatur erhält man eine Steigung von 0.00062 € pro °C mit einem vermeintlichen \(R^2\). Für das Wetter erhält man eine Steigung von 0.00887 € pro gutes Wetter mit \(R^2=0.0652\). Das heißt, bei sonnigen Wetter verdient man wirklich mehr Trinkgeld.
Übrigens ergab sich für Früh- und Spätschichten eine Steigung von -0,0270 € pro Schichtzeit mit einem \(R^2=0.089\). Das heißt, dass man morgens mit ein bisschen mehr Trinkgeld rechnen kann als nachmittags.
Die Trinkgeldhöhe und die Kundenzahl haben eine Steigung von 0,0231 € pro Kunde und einen \(R^2=0,092\) - damit ist die Kundenzahl noch der größter Faktor der die Tringeldhöhe bestimmt.
Zusammenfassung#
Zusammengefasst kann ich bestätigen, dass die Trinkgeldhöhe wirklich ein bisschen von guten Wetter abhängt. Zum Glück hängt die Trinkgeldhöhe nicht vom Geschlecht des Verkäufers ab und interessanterweise ist zu viel Fröhlichkeit und Freundlichkeit mit weniger Trinkgeld verbunden! Das sind sehr interessante Beobachtungen! Ich wünschte nur ich hätte noch mehr daten sammeln können, denn meine haben alle niedrige \(R^2\)-Werte und mir wurde sogar gesagt, dass die Trinkgeldhöhe mehr vom Kassenumsatz abhängt als von der Kundenzahl. Das bedeutet auch, dass meine Mitarbeiter größtenteils recht hatten. Die Trinkgeldhöhe scheint größtenteils zufällig zu sein. Sie hängt noch am meisten von der Kundenzahl ab. Dies hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass fast immer die gleichen Leute Trinkgeld geben.
Die Ergebnisse sind nicht wirklich bahnbrechend, aber es freut mich, dass ich aus einem Sommerjob noch etwas lernen konnte!
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